Vergänglichkeit und Dauer
Zu den »Stahlblüten« von Bruno Feger
»Stahlblüten« nennt Bruno Feger seine in den letzten Jahren entstandenen Stahlskulpturen. Gemeinsam ist allen das Material Stahl und das Thema Blüten. Stahl ist Metall, hart, kalt, dauerhaft, Blüten dagegen sind pflanzliche Organismen von hoher Empfindlichkeit, weich, zart, von feinsten Äderchen durchzogen und von zum Teil hoher farbiger Strahlkraft und doch meist schnell verblüht.
Vielleicht erinnert nichts so sehr wie Blumen an die Vergänglichkeit des Seins.
Insofern tauchen sie in Stillleben des 17. Jahrhunderts in Holland immer wieder mit als Vanitasmotiv auf, als Sinnbilder der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens.
Andererseits sind sie nach christlicher Lesart Symbol für die irdische Schönheit und Lieblichkeit.
Wie sind meine Finger so grün/Blumen hab’ ich zerrissen/Sie wollten für mich blühn/Und haben sterben müssen.
In dem 1820 von der gerade mal zweiundzwanzigjährigen Annette von Droste-Hüllshoff geschriebenen Gedicht »Blumentod« wird die Trauer der Verfasserin über den durch das Pflücken der blühenden Blumen so schnell verursachten Tod derselben ausgedrückt. Wenn Bruno Feger eine Zeile daraus für seine »Stahlworte« gewählt hat, verrät das sein eigenes Berührtsein von diesem natürlichen Prozess des Reifens, Blühens und Vergehens. Für ihn stellt Stahl gegenüber der Flüchtigkeit des Lebendigen eine Art Dauerbarmachung dar. Es ist, als wollte er sich mit der Wahl des Materials gegen das Vergehen stemmen. Die Zeit wird im Dauerhaften der Form scheinbar zum Anhalten gebracht. Gegenstände der Natur, die von sich aus den jahreszeitlichem Werden und Vergehen unterworfen sind, bestehen in den Arbeiten jedoch im Augenblick ihrer prächtigsten und verführerischsten Entfaltung auf unvergänglicher Autonomie. (Bruno Feger 05.03.09)
Bruno Feger spricht mit Blick auf die metallenen »Blumensträuße« auch von floralen Stillleben. Stillleben heißt im Französischen nature morte, also tote Natur. In einem Teil der frühen Blüten aus Holz ist dieses Thema des Verfalls ganz konkret enthalten, wenn Blätter sich bereits erschlaffend nach unten biegen. In einem der stählernen Blumensträuße ist dieses Motiv ebenfalls zu finden, im Vergehen der Pflanze ist es auch das Sichtbarmachen von (vergehender) Zeit.
Eine Art Parallelwelt entsteht aus künstlich hergestellten Naturformen zur organischen Natur. Das springt dem Betrachter sofort ins Auge, wenn er auf Skulpturen von Bruno Feger in der Natur trifft und sich vom Künstler geschaffene Form und Naturform gegenüber stehen.
In den neuen Arbeiten kommt noch ein anderer Aspekt hinzu. Im kleinteiligen additiven Aufbau der Pflanzenskulpturen aus kleinen miteinander verschweißten stählernen Plättchen steckt ein Verweis auf die Zellstruktur aller Naturformen, eine Art genetischer Code. Kleinste Teile, aus denen alles besteht. Andererseits erhöht die kleinteilige Machart mit den blasigen Schweißnähten noch den Kontrast und damit die Distanz zur Naturform. Ein Blick auf die früheren Arbeiten unterstreicht das. Nehmen wir als Beispiel die »Kirsche«. Sie stellt gleichsam den Urtyp aller Kirschen dar mit roter Frucht und dunklem Stiel und ist gleichzeitig eine Art Vereinfachung und Abstraktion. Im Grund genommen ist es die ideale Form, prall, von gesunder roter Lebensfarbe, ohne Fäulnisspuren, kein Wurm darin, die Natur könnte neidisch werden.
Stellte man die anderen Kirsch-Skulpturen daneben, würde man den gleichen Bestand konstatieren, aber bei jeder Kirsche eine individuelle Ausprägung entdecken durch kleine Veränderungen in der Stengellinie oder der Stellung der Frucht zum Sockel.
Einmal von ihm entwickelte künstlerische Gestaltungsmittel behält Bruno Feger auch in seinen Stahlblüten bei. Da wäre als erstes die Monumentalisierung der Blüten zu nennen durch Vergrößerung, was zu einer Umkehrung der Bedeutungsebenen in Hinblick auf den Betrachter führt. Gleichzeitig schafft die Vergrößerung neue Möglichkeiten für die Skulptur. Sie wird zur Marke, zum Mal, zum Zeichen in der Landschaft.
Es gibt auch die Monumentalisierung des Details wie bei den Mohnblättern. Nur ein oder zwei der Blütenblätter sind übrig geblieben. Blickt man von hier zurück, stellt man einen zunehmenden Abstraktionsprozess bis zu den Fragmentierungen fest. Neben die Fragmentierung tritt die ornamentale Form, zum Beispiel Querschnitte durch Blüten oder längs geschnittene Blumensträuße in Vasen, die fast etwas Scherenschnittartiges an sich haben.
Nicht um Wiedergabe von Naturformen geht es, eher um Typisierung und um Vereinzelung, wenn eine Blüte aus den vielen herausgehoben wird. Für Bruno Feger
drückt sich darin ein Stück Vereinsamung aus.
Schließlich spielt die Bevorzugung bestimmter Pflanzen eine wichtige Rolle und natürlich die Farbe. Bruno Feger wählt gerne Pflanzen mit einem breiten Assoziationsspektrum, weil ihn die Speicherkraft des Sprachlichen und Bildlichen fasziniert. Pflanzen haben zudem im Glauben und Brauchtum einen hohen Stellenwert. Aussehen, Wohlgeruch, Heilkraft spielen dabei eine große Rolle, aber auch Nährwert und Giftigkeit.
Eine solche Pflanze ist beispielsweise das vierblättrige Kleeblatt, das als Glücksbringer für Liebe und Spiel gilt und die Farbe Grün dabei für Natur steht, Wachstum, Unreifes, Hoffnung, Ruhe.
Oder die blauen Tulpen, deren Farbe Blau auf Treue verweist, Ferne, Unergründlichkeit und Keuschheit – Maria trägt auf vielen Bildern einen blauen Mantel. Auch die Blume der Romantik war blau und gilt als Ausdruck der Sehnsucht.
Schließlich Rot, das als atropäische Farbe schlechthin angesehen wird, als Farbe, die Unheil abwehren kann. Feuer, Blut, Leidenschaft werden mit ihr assoziiert, aber auch Revolution. Sie ist die Farbe der Liebe, Zeichen der Fruchtbarkeit. »Rose ohne Dornen« wird Maria genannt.
Verständlich, dass auch bei den Skulpturen von Bruno Feger die Früchte und die Blüten am häufigsten durch die Farbe Rot ausgezeichnet werden. In der Farbe des Blutes spielt sie auf Leben und Tod an.
Ulrich Meyer-Husmann