Florale Interventionen

Florale Interventionen – Hagebutten, Blüten, Kirschen, Gräser, Kleeblatt, Tulpen

»Im Atelier in tagelangem Aneinanderfügen und Verschweißen rechteckig formatierter kleiner Stahlstücke – zuvor aus dem normierten Maß einer von der Industrie gepressten Platte zerteilt – entsteht eine neue Arbeit. Das in Stahl gefasste Stück 'Glück’, der Form eines vierblättrigen Kleeblatts entlehnt. Ornament in fremdem Körper. Florales Stilleben«
(aus einem Brief von Bruno Feger, Januar 2005).

Wie kommt es, dass sich die meist dem Dekorativen zugeordnete und ästhetisch vielfach verschmähte Blume im ausgehenden 20. Jahrhundert wieder neuer Beliebtheit erfreut, dass nahezu ein Rückgriff auf Blumen- und Pflanzenmotive zu beobachten ist, wie es auch der Florale Stil vor 1900 schon einmal unternahm, als er das Vegetabile zu einem Hauptthema erhob? Damals reformierte der Jugendstil als geistige Erneuerungs- und Jugendbewegung international den Einsatz vegetabiler Formen als Abkehr von historischen Prägungen und auf der Suche nach Neuem. In seiner floralen Richtung wies er dabei eine Neigung zum Vegetabilen mit oftmals symbolischen Bezügen auf. In Architektur und Malerei, in der Alltagskultur als Ornament sowie auf Plakaten und kunsthandwerklichen Objekten fanden sich neue, meist dem Pflanzlichen und einer bestimmten Tierwelt entlehnte dekorative Linien. Um 1900 in der Epoche der Hochindustrialisierung und Technisierung setzten Künstler/innen dem Industriegrau und dem Akademiebraun des 19. Jahrhunderts eine kreative neue Sinnlichkeit als Ausdruck des naturnahen Lebens entgegen. Darin offenbarte sich die Abwendung vom starren Akademismus, überkommenem Traditionalismus und zitierendem Historismus. Das Unverfälschte, Unverdorbene, Echte sollte hervorkommen und sich gegen festgefahrene Moral und enge Konventionen der Erwachsenenwelt durchsetzen. Dieses mündete schließlich in einer Jugendbewegung, die alle Lebensbereiche in vielen Ländern Europas erfasste.

Von da an durchstreifte die gesellschaftliche Motivation eines ‚Flower Powers’ fortwährend das 20. Jahrhundert. Blumen- und Pflanzendarstellungen in der Zeit der Klassischen Moderne von Vincent van Gogh, Henri Matisse, Claude Monet, Emil Nolde, Auguste Renoir und vielen anderen reformierten die Gattung des intimen Stilllebens und der Gartenstücke durch Farbenreichtum und emotionale Ausdruckskraft. So gelten van Goghs blühende Zweige und Bäume als symbolisch bedeutungsvolle Gegenstände oder die Sonnenblumen als weltanschauliche Bekenntnisse mit hohem Gleichnischarakter.

In der Nachkriegszeit wird im Kontext des Stilllebens als eines der großen ‚Standardthemen’ die blühende oder verwelkende Pflanze ohne repräsentative Arrangements als Motiv aufgegriffen. Es zeigt sich ein breites Spektrum an individuellen formalen und inhaltlichen Ansätzen mit einer Neigung zu allgemeinen Sinnbildern und Existenzallegorien. Hierbei spielt kaum die traditionelle Ikonographie des Stilllebens eine Rolle, vielmehr appellieren die Künstler/innen an die Werte eines naturnahen, gemeinschaftlichen Lebens. Sie entwickeln ein eigenes ikonographisches Programm, das seinen Ursprung auch in der Auseinandersetzung mit bestimmten Geistesströmungen hat. Damit einher geht die Studenten- und Hippiebewegung der sechziger Jahre, in denen Blumen als Symbol gegen Krieg, Naturzerstörung und als Systemkritik eingesetzt werden. Mit ihrem utopischen Entwurf einer humanen und friedlichen Welt stehen die Kunstschaffenden der konkreten, politisch aufgewühlten Zeit gegenüber.

In der Kunstpräsentation und -rezeption der letzten Jahre bereiten immer wieder Ausstellungen und Publikationen das Thema auf: Sie zeigen die Traditionslinie des Blumenstilllebens von der Antike bis heute oder stellen Künstler als Gärtner und Naturforscher vor. Sie konzentrieren sich innerhalb eines Œuvres auf den einen Aspekt von Pflanzen- oder Landschaftsdarstellungen und eröffnen damit den Diskurs über Kunst und Natur durch die Jahrhunderte. Die bevorzugte Zeitspanne liegt dabei zwischen dem 17. Jahrhundert und der Klassischen Moderne. Eher selten werden Merkmale einer Werkstruktur untersucht, die die spezifische Beziehung zwischen Mensch respektive Künstlerindividuum und Natur offenlegt; ein Themenfeld, das für zeitgenössische Positionen jedoch zunehmend an Aktualität gewinnt.

Im ausgehenden 20. Jahrhundert werden vor dem Hintergrund der Urbanisierung, Automatisierung und Digitalisierung aller Lebensbereiche Entfremdung und Abstraktion vorangetrieben. Dieses ruft nun die Generation der in den 60er und 70er Jahren Geborenen auf die Bühne, deren Schaffenszeit diesmal eine Jahrtausendwende markiert. Immer wieder greifen diese Künstlerinnen und Künstler florale Motive auf, beschäftigen sich in unterschiedlichsten Darstellungsformen und Gestaltungsmedien mit Blumen, Pflanzen, Landschaft oder Gartenanlagen. Teils kritisch motiviert, teils eine neu ‚erblühende’ Ästhetik propagierend, lassen sich abermals mannigfaltige formale und inhaltliche Ansätze erkennen.

Vor diesem schlaglichtartig beleuchteten Hintergrund wird die Position des 1962 geborenen Bruno Fegers vor allem im Hinblick auf eine sehr persönlich motivierte Auseinandersetzung mit Natur und Pflanzen relevant. Eine Annäherung an die Werkstruktur seiner Skulpturen und Objekte wird im Folgenden vorgenommen. Den Arbeiten liegen eine intensive Beschäftigung und eine tiefe emotionale Berührtheit mit Pflanzen und Blumen zugrunde, mit höheren und niedrigeren Arten gleichermaßen. Vielleicht ist es gerade die emotionale Berührtheit, die den Diskurs über Kunst und Natur eröffnet und darin die Beziehung zwischen Mensch und Natur zum Thema macht.

Fegers Beziehung zum Natürlichen, zu Pflanzen und organischer Körperlichkeit gleichermaßen, wird hier nicht als malerische Landschaft oder Stillleben präsentiert, sondern in skulpturalen Objekten, die nach der Natur entstanden sind und oftmals in der Natur wieder zur Aufstellung kommen. Hierbei fungiert Natur auf doppelte Weise: als Quelle der künstlerischen Inspiration und als Ort für die Objekte, die sich als florale Interventionen in die sie umgebende Landschaft einbringen.

Den Ausgangpunkt der bislang entstandenen floralen Motivgruppen bilden die Hagebutten, die Feger seit 1995 fertigt. Sie bestehen im unteren Teil aus einem in den Boden eingelassenen, dunkelgrün lackierten Stahlrohr, das sich in unterschiedlicher Länge und verschieden stark gebogen in die Höhe schwingt. Am oberen Ende des Rohrs ist ein mit roter Polyesterfarbe überzogener, knospenförmiger Wachskörper angebracht, der sich als Blütenkopf in entsprechend unregelmäßigen Formen und Ausmaßen darstellt. Beständiger, harter, stabiler Stahl wird mit weichem, verletzbarem Wachs kombiniert. Die Formen der einzelnen Pflanze werden nicht im Detail, sondern im Gesamt erfasst, dem ein hoher Grad an Abstraktion zugrunde liegt. Dies führt zu einer Reduktion auf Grundform und Grundlinien ihres Erscheinens in der Natur und lässt den jeweiligen Urtypus auch bei den nachfolgend entstehenden Gewächsen erkennen.

Hagebutten xxx, 1996
In der Weiterführung dieser Auseinandersetzung mit dem Einzelnen/der einzelnen Figur folgen verschiedene Blüten ab 1996: Lilie, Magnolie, Forsythie, Chrysantheme, Margerite, Rose, Enzian. 2001 entstehen die Kirschen. Als jüngste Motivgruppen ‚wachsen’ seit 2004 die Gräser sowie in diesem Jahr erstmals ein Kleeblatt und Tulpen.

Kleeblatt xxx, 2005
Der Künstler sondert einzelne Pflanzen-Individuen aus ihrer natürlichen Gemeinschaft heraus und nutzt ihre Anmutung für eine großformatige skulpturale Umsetzung in unterschiedlichen und zugleich Gegensätze beschreibenden Materialien. Für die Einzeldarstellung von Pflanzen war schon das im Altertum bestehende botanische Interesse stimulierend und brachte lexographische Darstellungen bis hin zu Lehrbüchern hervor. Symbolische Bedeutung gemäß ihrer Heilwirkung und Farbe kam verstärkt in bildnerischen Darstellungen seit dem Mittelalter hinzu. Über die Funktion der Blume als Sinnbild hinaus erlangte der botanische und ästhetische Wert als Naturerscheinung zunehmend Bedeutung ohne dabei Symbolik auszuschließen. Symbolwerte behielten einzelne Pflanzen sowohl in wissenschaftlicher als auch in künstlerischer Hinsicht bis ins 21. Jahrhundert hinein. So spricht Feger von der »Speicherkraft des Sprachlichen und Bildlichen« seiner Motive, welche (sprachliche) Assoziationen im Bildlichen hervorrufen. »Bei der Auswahl des Motivs haben neben der Form auch die Assoziationsbezüge die dem Naturvorbild zugesprochen werden, einen wesentlichen Einfluss, darin gespeicherte Erinnerungen von Ängsten und Hoffnungen, bisweilen Sehnsüchte. Ganz besonders beim "Klee". Überhaupt interessiert mich die Speicherkraft des Sprachlichen und Bildlichen.« (B.F., Januar 2005).

Zudem beschreibt die Pflanze als Sinnbild des Blühens und Verblühens einen natürlichen Prozess. Jedoch nicht verblüht oder verwelkt, sondern meistens den Höhepunkt und damit die Üppigkeit des Wachstums zeigend, entfalten sich seine Gewächse zu voller Blüte. In sattem Grün und leuchtendem Rot hält Feger diesen besonderen Moment zwischen zwei Zuständen fest und »friert ihn ein«: »Die Konfrontation mit der Zeit, bzw. die Flüchtigkeit der den Motiven gegenüberstehenden Gegenstände und Inhalte ist bei fast allen Arbeiten zu finden. Auch bei den "Stahlworten", mit ihren geschmiedeten Wortmomenten. Den natürlichen Verfallsprozessen wird eine "Dauerbarmachung" entgegengehalten, bei den "Blüten" ist es mit dem "wächsernen" Überzug fast einem Einfrieren gleich. Die Blüte, wie das (zumindest) gesprochene Wort haben keine Dauer.« (B.F., Januar 2005).

Mit dieser den Pflanzen nun anhaftenden Beständigkeit stellen sie sich als florale Interventionen in der sie umgebenden Landschaft dar. Interventionen arbeiten insbesondere bei temporären Eingriffen mit der Realzeit und beziehen ihre Energie aus der Relation zum Vorgefundenen. Als Interventionen im Natur-Raum konfrontieren die skulpturalen Objekte ihre künstliche Beschaffenheit mit der gewachsenen Natürlichkeit. Dies erfolgt einerseits durch die Maßstabveränderung, indem die Einzelpflanze immens vergrößert wird. Andererseits ist es das Ersetzen des organischen Materials durch ein den natürlich gewachsenen Vorbildern gänzlich fremdes, künstlich produziertes Material (z.B. Stahl, Kunstharz).

Bei einer Aufstellung im Stadt-Raum konfrontieren sie unterdessen als florale Interventionen die urbane Struktur mit natürlicher organischer Formgebung. Die für sich stehenden Objekte setzen in ihrer Ausrichtung immer auf die Relation zu ihrem Umraum und zum Betrachter. Sie zielen auf eine Sensibilisierung gegenüber dem Realraum und der eigenen Körperlichkeit des Betrachters. Grenzen werden verwischt oder aufgegeben. »Die Objekte nehmen auch Bezug auf die Einrichtung (Erschaffung) einer Parallelwelt zur Natur in der Verkleidung des Natürlichen. Das Selbstbild des Menschen fußt auf dem Selbstverständnis eines unabhängigen Weltenschöpfers. Der Ästhetisierung der Umwelt und des Menschen (inzwischen auch seiner Gene) liegt dieses Bemühen um Idealisierung zugrunde. Es erinnert mich an das Maskenspiel mit dessen eingefrorener Bildlichkeit, die so Symbolkraft schafft.« (B.F., Januar 2005)

Für Feger ist zentral die Beschäftigung mit der (Einzel-)Pflanze als eine formal-künstlerische Auseinandersetzung mit Raumbezügen), Bewegung, Größe und Dimension sowie Farbe und Materialästhetik. Hinzu kommen Wiederholung und Variation sowie Kombination als werkimmanente Darstellungsprinzipien.

Der Ausgangpunkt für Entstehung und Wahrnehmung seiner Objekte liegt in der Vereinzelung und anschließenden Vergrößerung der Motive durch die Übertragung einer an sich kleinen Blüte oder Pflanze in ein überdimensionales Format. Feger löst die Einzelblüte aus ihrem Kontext des Strauchs heraus, wo sie als eine unter vielen existiert. Aber auch dort wirkt sie bisweilen schon isoliert durch ihre abgeschlossene Blütenform. »Das verschafft ihr Einsamkeit«, so beschreibt der Künstler seine Naturbeobachtung. Indem die Hagebutte, die Blüte, die Kirsche, der Grashalm oder das Kleeblatt hier nun als stark vergrößertes Einzelgewächs auftreten, werden sie individualisiert. Keines gleicht dem anderen, sie sind sich allenfalls ähnlich. Diese Individualität wird durch den Arbeitsvorgang noch bestärkt. In wochenlangem Biegen, Sägen, Schneiden, Formen, Streichen und Färben entstehen die einzelnen Objekte. Jede Pflanze ist alleine schon durch die manuelle Herstellung ein Unikat.

Diese formale Auseinandersetzung mit Größe und Dimension geht einher mit Distanz und Nähe als entscheidende Komponenten für die Betrachtung. Die überdimensionale Größe beispielsweise einer Hagebutte schafft einen neuen Kontext. Mit zunehmender Distanz verkleinert sich das Hagebuttenobjekt und reduziert sich in der Wahrnehmung auf die Silhouette und das Rot des Blütenkopfes. Dessen Leuchtkraft sticht gleichsam als Signalfarbe – im Gegensatz zur kargen Umwelt – hervor, vergleichbar mit der Zeit des Spätherbstes, in der im dichten Gestrüpp der einzelne Blütenkopf herausleuchtet und Hagebuttensträucher dadurch sehr auffällig erscheinen.

Nähert man sich dem Objekt, werden die Dimensionen vertauscht. Der Betrachter muss ein eigenes Proportionsschema erstellen, um das Objekt in seiner Wahrnehmung erfassen zu können. Durch die Umkehrung anerkannter Größenordnungen lässt Feger monumentale Objekte entstehen, die den Betrachter in eine fiktive Insektenperspektive versetzen, da das Gesehene nun übergroß erscheint. Künstlerische Imagination und Interesse für weiträumige Proportions- und Maßverschiebungen in Verbindung mit architektonischen und landschaftsgestalterischen Gesichtspunkten liegen dem zugrunde. Im großen Rahmen werden den Details aus der Natur Denkmäler im öffentlichen Raum gesetzt. Diese floralen Interventionen halten Überraschungsmomente für jeden bereit. Die Isolation der Überpointierung irritiert die Sehgewohnheiten, wodurch die Dinge ihre alltägliche Anmutung verlieren. Hierbei geht es um ein neues Verhältnis zur Wirklichkeit und um die Bewusstmachung von Realitäten mit künstlerischen Mitteln. Ebenso fungieren die Skulpturen durch ihre sinnliche, fast meditative Anmutung als rein ästhetische Phänome. Sie vermitteln Beständigkeit und Unvergänglichkeit im Gegensatz zum sie umgebenden Veränderlichen und Vergänglichen.

Bei ihrer Aufstellung an unterschiedlichen Orten sowohl im Außen- als auch im Innenraum erfahren die Objekte immer wieder eine neue Präsentation. Oftmals sind sie auf eine Raum- oder Ortssituation hin konzipiert bzw. werden in ihrer Auf- und Zusammenstellung als Einzelblüte oder in einer Gruppe kombiniert aufgebaut. Der Betrachter gerät in die Rolle des Entdeckers. Ihm werden verschiedene Wahrnehmungsebenen eröffnet, sowohl im Hinblick auf ihre spezifische Einzelpräsentation als auch im Zusammenspiel der Werke untereinander.

Sind die Hagebutten als Einzelobjekte präsentiert, steht Vereinzelung gegen Kontextualisierung, Individualität gegen Masse. Das Besondere wird – wie bereits oben erwähnt –im Einzelnen ansichtig und hervorgehoben.

Dies gilt zunächst auch für die Gruppenformationen. Es werden vielfältige Blickrichtungen vorgegeben, die den Weg für die Betrachtung weisen. Einerseits kann der Verlauf der Richtungslinien innerhalb eines Objekts seinen Endpunkt haben. Bei den Hagebutten findet sich dieser Punkt im Blütenkopf, wodurch die körperlich-räumliche Ausdehnung wieder zurückgenommen wird und die Skulptur ganz im Sinne der ihr inhärenten »Einsamkeit« auf sich selbst bezogen bleibt. Andererseits sind Bezüge zum Umraum erkennbar, indem die Objekte dort vorkommende Formen und Richtungslinien in ihrer Ausrichtung und ihrer Ausdehnung aufnehmen. Ebenso sind Beziehungen der Skulpturen untereinander durch ihre Anordnung zueinander und je nach Betrachterstandpunkt feststellbar. Den Verlauf der Biegung des Stahlrohrs nachzeichnend, lassen sich Linien gedanklich im Raum fortsetzen, finden ihre Aufnahme im nächsten Objekt und thematisieren damit die Bezogenheit der Einzelfiguren aufeinander.

Bei den Gruppenformationen stellt sich zudem die Wiederholung als Mittel zur Ausdruckssteigerung für die Betrachtung dar, da man von jedem Standpunkt aus gleichzeitig die konturbetonten Formen wichtiger Ansichtsseiten wahrnehmen kann. Die mehrmalige Repetition des Motivs in modifizierter Form dient unter anderem zur Betonung des Gruppencharakters der skulpturalen Gegenstände, so dass die motivische Wiederholung als verbindendes Element wirkt.

Wiederholung ist aber auch als Schritt zur absoluten Form erkennbar, in der das Individuelle zunächst hinter dem Allgemeinen zurücktritt. Die einmal gefundene Form – der sogenannte Urtypus – wird anschließend variiert und mit anderen kombiniert. Die Verwendung werkkonstitutiver Merkmale wie Wiederholung erfährt hier nun eine andere oder besser: erweiterte Bedeutung, die mit dem Begriff der Variation verdeutlicht wird. Wiederholung und Variation der Motive lassen sich als zwei maßgebende Gestaltungsprinzipien des Œuvres festhalten. Während die Wiederholung eines Motivs ein Mittel oder auch Werkzeug ist, um den Grad der künstlerischen Gestaltung und des Ausdrucks zu vervollkommnen oder zu intensivieren, drückt die Variation eines Motivs das kursorische Prinzip im Gesamtwerk aus, im Sinne der Wiederaufnahme von etwas Gleichem und folglich Substantiellem. Ein Motiv wird gewissermaßen als Grundformel verwendet, und eingesetzte Variablen zeitigen jeweils ein eigenes, voneinander abweichendes bildnerisches Resultat. So entstehen Skulpturen, mitunter in größeren Abständen von mehreren Jahren, in denen eine Formel als Grundgerüst bestehen bleibt, die sich durch die Wahl unterschiedlicher stilistischer und bildnerischer Mittel jedoch abgrenzen. Sie geraten als Variationen nicht in Abhängigkeit zueinander, sondern erhalten ihre Eigenständigkeit in jeweils andersartiger Ausdrucksstärke. Die Variation unterscheidet sich schon in dieser Hinsicht vom Seriellen, welches auf diese Eigenständigkeit verzichtet, um andere Prononcierungen zu gestalten. »Es ist nicht die Gleichheit der Wiederholung (wie bei manchen minimalistischen Ansätzen), sondern eher die Individualität des gleichen Motivs« (B.F., Januar 2005), welche durch die Variation als wesentliches Prinzip bildnerischer Gestaltung in Fegers Arbeiten erreicht wird.

Indem Feger die formale Variation einsetzt, verfolgt er das Ziel, das Substantielle durch gezielte Ausarbeitung hervorzuheben, wobei er es zugleich als Typisches herauszuarbeitet. Unter dem Begriff Typus versteht Erwin Panofsky eine solche Darstellung, »in der sich ein bestimmter Sachsinn mit einem bestimmten Bedeutungssinn so fest verknüpft hat, daß sie als Träger dieses Bedeutungssinnes traditionell geworden ist...«. Typus drückt mithin eine intersubjektiv überzeugende und objektive Darstellung aus. Er repräsentiert nicht nur sein spezifisches Sein, sondern kann zugleich über sich hinausweisen auf ein allgemein Verbindliches, das seine Erscheinung trägt. Beide Aspekte finden sich in Fegers floralen Objekten wider. Demzufolge verkörpern seine ‚floralen Typen’ sowohl eine selbstbezügliche Werkimmanenz als auch eine verweisende Darstellungskraft in Gestalt einer Symbolhaftigkeit.

Letztlich wäre hier eine Differenzierung angebracht, da sich bei der Unterscheidung von Symbol und Darstellung immer auch die Frage nach dem Zusammenhang von Kontinuität und Disparität des innerbildlichen Bezugs stellt: »Aber dennoch suche ich nicht in allen Arbeiten das Durchgängige, Verbindende, da sind auch Brüche oder parallele Vorgänge. Da ist in der zeitlichen Folge aber auch in der Materialwahl und dessen Behandlung eine lineare Beurteilungs- oder Betrachtungsweise manchmal gebrochen.« (B.F., Januar 2005). In der Erfassung einer Kontinuität der Werkstruktur wird der Betrachter zu einer Vielzahl von Assoziationen und Erfahrungsqualitäten geführt, für die Fegers Werke – und vielleicht gerade durch die Wahl der Blumen- und Pflanzenmotive bedingt – bewusst offen stehen.

Gora Jain

 

Siehe Stichwort »Pflanzendarstellung«; in: Lexikon der Kunst, Bd. V, H. Olbrich (Hg.), Leipzig 1993, S. 560 f.

Siehe hierzu Stefan Rasche: Das Stilleben in der Westdeutschen Malerei der Nachkriegszeit. Gegenständliche Positionen zwischen 1945 und 1963, Münster 1995.

Siehe hierzu u.a. folgende Ausstellungskataloge: Expedition Kunst. Die Entdeckung der Natur von C.D. Friedrich bis Humboldt (Hamburger Kunsthalle, 2003); I never promised you… a Rosegarden (Kunsthalle Bern, 1999); Kunst-Garten-Kunst. 13 Projekte für Hannover (Sprengel Museum Hannover, 2003); sowie für Einzelausstellungen u.a. zu: Max Beckmann: Landschaft als Fremde (Hamburger Kunsthalle u.a., 1998); Van Gogh: Felder (Kunsthalle Bremen, 2003), Im Garten von Max Liebermann (Hamburger Kunsthalle u.a., 2004), Monets Garten (Kunsthaus Zürich, 2004/05).

Siehe hierzu u.a.: Claus Mewes: Miron Schmückle; in Ausst.-Kat.: Foyer für junge Kunst, Hamburg 2001.

Um nur einige Positionen dieser Künstlergeneration zu nennen: Gabriele Basch (*1964) fertigt Serien großformatiger Blumenbilder. Regula Dettweiler (*1966) konstruiert ästhetische Reproduktionen von Natur in Drucken und digitalen Bearbeitungen. Ingo Gerckens (*1967) greift in seinen Stillleben auf vielfältige vegetabile Elemente zurück. Olaf Quantius (*1971) malt großformatige Seerosen- und Kartoffelbilder mit amorphen Strukturen. Miron Schmückle (*1966) inszeniert Blumen in Fotoserien, Aquarellen und Objekten. Florian Tiedje (*1964) stellt die fotografierte Landschaft als Ort vor.

Der Blütenkopf besteht aus einer Wachs-Öl-Harz-Mischung mit einem Innenkern aus Holz, darüber ist eine Bienenwachsschicht und eine farbige Polyesterharzschutzschicht gelegt.

Z.B. werden Lilie und Rose als mariologische Symbole oder Akelei und Wein als christologische Pflanzen gedeutet. Zudem erscheinen Pflanzen als Attribute von Heiligen und Märtyrern und verbildlichen Eigenschaften von Personen.
Siehe auch Marina Heilmeyer: Die Sprache der Blumen. Von Akelei bis Zitrus, München/London/New York 2000.

Bei den Stahlworten werden die ‚spontanen Äußerungen’, die sich immer wieder als kleine Kritzeleien an Fegers Atelierwänden befinden, gegen eine konstruierte, filigrane Ästhetik durch ihre Umsetzung in geschmiedetem Stahl gesetzt.

In Bezug auf das »Einfrieren« eines Prozesses und das Festhalten von Bewegung gelten die in den frühen neunziger Jahren entstandenen Motivgruppen Wachsbilder, Vorhänge bzw. Faltenwürfe als wichtige Stationen für die Erarbeitung und Weiterentwicklung dieser Thematik.

Dieser Aspekt wird auch schon bei der frühen Motivgruppe der (Wand)Berghäuser aus Stahl relevant, die Anfang der neunziger Jahre entstand. Durch die Vergrößerung des Kleinen, wie bei den Hagebutten, und die Verkleinerung des Großen, so zeigen es die Häuschen, wird die Irritation der Wahrnehmung durch Entfernungs- und Höhenunterschiede thematisiert.

Vergleiche hierzu unter anderem Katharina Sykora: Das Phänomen des Seriellen in der Kunst: Aspekte einer künstlerischen Methode von Monet bis zur amerikanischen Pop Art, Würzburg 1983.

Erwin Panofsky: Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst; in: Ikonographie und Ikonologie. Bildende Kunst als Zeichensystem, Bd. 1, E. Kaemmerling (Hg.), Köln 1979, S. 194.

© 2005 Text: Gora Jain

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