Haus der Winde

Haus der Winde 5-6-2018

Über viele Jahre haben mich immer wieder die Kartonagenansammlungen (wertlos gewordene Diener der Dinge) vor den Geschäften in den Bann genommen, abgelegt zur Entsorgung. Wo sie zuvor zur Versorgung dienten. Gerade im Morgenlicht. Manche in erkennbar ursprünglicher Form, andere in vielfach gefalteter Schichtung. Alle haben zu dem Zeitpunkt ihre Funktion (Gebrauchszusammenhang) erfüllt oder eben verloren. Manchmal finden sich aber auch neue Verwendungen, Kinder zimmern sich ihre Hütten, Obdachlose ein Zuhause.
Der Karton ist ein Sinnbild unserer heutigen Zeit, die von Menschen und Dingen größt mögliche Mobilität einfordert. Der Karton ist die Form, das Heim dieses Unterwegsseins. Funktionsverlust und manchmal durch Materialveränderung bedingter Kontrollverlust führen Veränderungen herbei, der bergende Raum löst sich auf, neue Formen, andere Licht- und Schattenräume entstehen. Auffaltungen, Hingaben an den Raum.

Das Fragmentarische ist ein Ergebnis von Veränderungsprozessen.

Eine Demenzerkrankung ist ein Veränderungsprozeß. Es werden erworbene vernetzte, geordnete Gefüge und Informationen aufgelöst. Inhalte und die Verfügbarkeit über sie entziehen sich, es entsteht eine Leere ohne Zugriff. Ein verlorenes Gefäß bleibt.
Diese Haltlosigkeit findet dann ihren skulpturalen Spiegel in der Gestalt eines kartonähnlichen aufgeklappten Würfelgebildes. Aus kleinen aneinandergefügten Stahlflächen punktuell, fast wie provisorisch zusammengeschweißt. Es steht fragil auf drei aufgeklappten Bodendeckeln, die Seiten aus dem stabilen Rechteck in die unsichere Trapezform verschoben. Wie ein vom Wind durchfluteter Körper sind die Deckel nach oben aufgeschlagen. Von unten blickt man durch ein entleertes Innen, aufwärts in den Himmel. So ist sowohl die Form vom Anschein der Vergänglichkeit geprägt, auch deren Standfestigkeit auf dem Boden ist von ungewisser Verwurzelung und Beständigkeit. Eine Brise könnte die Plastik weitertreiben.

In der verzinkten Oberfläche ist ein Hinweis auf die Widerständigkeit des Lebens zur Erneuerung zu finden. Bei der Entwicklung der Bildgestalt war eben auch, neben der inhaltlichen Bezogenheit auf die Geschichte als Erinnerungsmal an Auguste Deter, der Bezug zum Standort und den Menschen die heute da leben und arbeiten von großer Bedeutung. Für viele Studierende und Lehrende an der Universität ist oder wird das Unterwegssein ein elementarer Bestandteil ihres Lebens sein. Der Karton als Sinnbild für Mobilität ist auch ihnen vertraut.

Besonderen Dank an alle Beteiligten die zur Realisierung von »Haus der Winde« beigetragen haben Dr. Carsten Siebert und Edith Ulmer. Ganz besonderen Dank an den Stifter Herrn Rudolf Dederer und Herrn Prof.Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz.Bruno Feger 8-8-2018

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